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Ethanol

Zusammenfassung

Ethanol aus Gärung zuckerhaltiger Säfte ist nicht erlaubt und rituell unrein, da es aus nicht erlaubter Herstellung gewonnen wird (s. u.).

Synthetisch hergestelltes Ethanol, das nicht zur Herstellung von alkoholhaltigen Getränken dient, ist erlaubt und gilt als rituell rein. Es kann bei der Reinigung und Auflösung von Substanzen, sowie im Parfüm und als Brennstoff eingesetzt werden. Zu beachten ist dabei, dass mit diesem Ethanol keinerlei Produkte hergestellt werden dürfen, die eine Rauschwirkung verursachen.

Ethanol

Umgangsprachlich wird Ethanol als Alkohol bzw. Weingeist bezeichnet. Da die Scharii’ah alle Rauschmittel verbietet, spricht man umgangssprachlich auch davon, dass die Scharii’ah alle Alkohole verbietet. Diese Aussage kann bei differenzierter Betrachtung nicht verifiziert werden und muss deshalb durch gezielte Aufklärung im Bewusstsein der Muslime korrigiert werden. Es muss klar unterschieden werden zwischen den “chemischen Alkoholen” und dem Alkohol, den die Scharii’ah verbietet.

In der Chemie werden Hydroxyderivate der Alkane Alkanole bzw. Alkohole genannt. Ihre Namen werden aus dem Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs durch Anhängen des Suffixes -ol gebildet, wie z. B. Ethan-Ethanol bzw. Ethylalkohol, Methan-Methanol bzw. Methylalkohol, Propan-Propanol bzw. Propylalkohol, etc.

Funktionelle Gruppe der Alkanole ist die Hydroxylgruppe (OH-Gruppe), die mit ihrem ausgeprägt polaren Charakter die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten der Stoffe in entscheidender Weise bestimmt.

Die ersten Glieder in der homologen Reihe der Alkohole (Methanol, Ethanol, etc.) sind farblose Flüssigkeiten. Ab Dodecanol handelt es sich um wachsartige Feststoffe (Fettalkohole).

Ethanol ist aufgrund seiner polaren funktionellen Gruppe hydrophil (wasserfreundlich) und aufgrund seines Alkylrestes zugleich lipophil (fettfreundlich) und daher mit Alkanen mischbar. Dagegen ist z. B. Hexadecanol, CI6H33-OH in Wasser unlöslich.

Alle Alkohole sind giftige Stoffe, z. B. wird die tödliche Dosis von Methanol (auch Holzgeist genannt) für einen Erwachsenen mit 30-50 ml angegeben, wobei auch Todesfälle ab 5 ml bekannt sind. Geringe Mengen Methanol sind zwar nicht tödlich, doch der Konsum von wenigen Millilitern verursacht bereits schwere Gehirnschäden und Erblindung.

Aus der Gruppe der Alkohole ist nur Ethanol für den Menschen genießbar. Der Konsum von ethanolhaltigen Getränken (bzw. Lebens- und Genussmitteln) führt zu einem Rauschzustand und deswegen ist Ethanol für den Islam die einzige Alkoholsorte, die als haram gilt. Alle anderen Alkohole sind von diesem Verbot nicht betroffen und werden in der Scharii’ah nicht behandelt.

Ethanol ist in verschiedenen Konzentrationen Inhaltsstoff diverser alkoholischer Getränke wie Bier, Wein, Sekt, Sherry, Cognac, Wodka, Rum und Whisky. Beispielsweise sind in Bier ca. 5 Vol%, in Wein ca. 10 Vol%, in Likör ca. 30 Vol%, und in Weinbrand ca. 40 Vol% Ethanol enthalten.

Hochprozentige alkoholische Getränke mit mehr als 50 Vol% Alkoholgehalt sind brennbar. Dies wird in der westlichen Gastronomie beim sog. Flambieren genutzt, hierbei werden bestimmte Gerichte, Früchte oder Eis z. B. mit Weinbrand übergossen und angezündet. Ein weiterer brennbarer hochprozentiger Alkohol ist Brennspiritus, der durch Vergällen als Genussmittel unbrauchbar gemacht wird.

Ethanol, das man nicht zu Alkoholika weiterverarbeitet, wird ebenfalls durch Zusatz von schwer abtrennbaren Stoffen ungenießbar gemacht (sog. Vergällen). Dies hat den Vorteil, dass darauf keine Alkoholsteuer erhoben wird. Für industrielle Zwecke wird Ethanol nicht durch Gärung von zuckerhaltigen Säften gewonnen, sondern technisch durch Addition von Wasser an den ungesättigten Kohlenwasserstoff Ethen synthetisiert. Diese Reaktion wird durch Schwefelsäure katalysiert. Ethanol dient ebenfalls als Lösungsmittel für Harze, Lacke und Farbstoffe, zum Auflösen von Wirkstoffen in Arzneimitteln (Kräuterextrakten), als Reinigungs-, Desinfektions- und Konservierungsmittel sowie zur Herstellung von Kosmetika (Rasier- und Mundwasser, Parfüm).

Aufgrund der vielen Anwendungsmöglichkeiten von Ethanol stellt sich nicht nur die Frage nach dem Konsumverbot als Getränk, Lebens- und Genussmittel, sondern auch nach der rituellen Reinheit dieser Substanz:

Konsumverbot

Über das Konsumverbot von ethanolhaltigen Flüssigkeiten und Nahr-ungsmitteln, die einen Rausch verursachen und zu Trunkenheit führen, sind sich alle muslimischen Gelehrten einig. Dabei gilt für alle Gelehrten als Regel der Hadiith des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam)

“Wenn viel von etwas betrunken macht, dann ist auch wenig davon bereits verboten.” (T, AH, N, I,)

Der Gelehrte Muhammad Schamsul-haqq Al-‘adhiim Aabaadi (محمد شمس الحق العظيم آبادي) hat diesen Hadiith in seinem Buch ‘aunul-ma’buudi scharhu sunani abi-daawuud (عون المعبود شرح سنن أبي داود) wie folgt erläutert: “(…) Ibnul-mundhir sagte: “Die islamische Gemeinschaft erzielte Konsens (Idschmaa’) darüber, dass Chamr aus Trauben, wenn er gärt und schäumt, als haram gilt, und dass die Strafe für den Konsum fällig wird, unabhängig davon, ob man wenig oder viel davon trank. Auch die große Mehrheit der Gemeinschaft ist sich darüber einig, dass, wenn Trunkenheit erst nach dem Konsum großer Mengen von allen anderen von Nicht-Trauben hergestellten Chamr-Sorten erfolgt, sowohl das Wenige, als auch das Viele davon als haram gelten.”

Die Gelehrten der Hanafiitischen Schule sind sich im Gegensatz zu den Gelehrten der anderen Schulen in der Frage der Einstufung der Chamr-Sorten, die von Nicht-Trauben hergestellt werden, nicht einig.

Imam Abu-haniifah und Imam Abu-yussuf vertreten diesbezüglich folgende Meinungen:

· Getränke aus nicht erhitztem vergorenem Dattel- und Rosinensaft (as-sakar السَّكَر, al-fadiiالفضيح und naqii’uz-zabiib نقيع الزبيب) bzw. aus vergorenem erhitztem Traubensaft, bei dem weniger als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, (al-baadhaq الباذَقbzw. al-munassaf المنصَّف  genannt), sind haram und (rituell unrein) nadschis. Die Strafe für deren Konsum wird erst fällig, wenn man sich damit betrinkt.

· Kleine nicht berauschende Mengen von Getränken aus vergorenem und erhitztem Dattel- und Rosinensaft, bei dem weniger als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, bzw. aus vergorenem und erhitztem Traubensaft, bei dem mehr als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, (al-muthal-lath المثلث bzw. attilaa  الطِّلَاء genannt) sind erlaubt, wenn diese zwecks medizinischer Behandlung oder ähnlichem und nicht zum Vergnügen getrunken werden. Berauschende Mengen davon sind in jeder Hinsicht haram und ziehen die Strafe nach sich.

· Getränke aus einer erhitzten und vergorenen Mischung aus Dattel- und Rosinensaft (al-chaliitaan الخليطان) bzw. aus Honig (al-bit’ الْبِتْع), aus Gerste (al-dschi’ah الْجِعَة) und aus Mais (al-mizrالمزر ) sind zwecks medizinischer Behandlung oder ähnlichem, aber nicht zum Vergnügen erlaubt. Das Trinken von Mengen, welche die Rauschwirkung hervorrufen, ist haram, zieht jedoch keine Bestrafung nach sich.

Imam Muhammad Bnul-hasan erklärt alle o. g. Getränke unabhängig von Menge und Zweck als haram. Diese Auslegung ist heutzutage die vorherrschende Meinung, nach der die Hanafiten vorgehen.

Resümee

Jegliche Getränke, die Ethanol beinhalten, so dass beim Konsum großer Mengen davon die Rauschwirkung eintritt, sind auch in jeder kleinen Menge verboten.

Status der rituellen Reinheit von Ethanol

Ethanol wird weder im Quraan, noch in der Sunnah explizit erwähnt und deshalb ist die Einstufung dieser Substanz als rituell rein oder unrein eine Idschtihaad-Angelegenheit.

Die früheren Gelehrten haben zwar über den Status von alkoholischen Getränken befunden und diese als rituell unrein eingestuft, jedoch nicht über Ethanol selbst. Heutzutage gibt es in Bezug auf die rituelle Reinheit von Ethanol zwei Meinungen:

· die Meinung, dass Ethanol durch Analogieschluss bezogen auf alkoholische Getränke als rituell unrein eingestuft werden muss,

· die Meinung, welche die Substanz des Ethanols als rituell rein einstuft, so dass es überall eingesetzt werden kann, wo es nicht getrunken wird bzw. wo es keine Rauschwirkung hervorruft.

Aufgrund der Belegsstellen und unter Berücksichtigung des natürlichen Vorkommens von Ethanol (z. B. in Nahrungsmitteln) und meiner langjährigen Erfahrung als islamologischer Auditor bei Halal-Zertifizierungen vertrete ich in dieser Angelegenheit eine etwas differenzierte Meinung:

· Ethanol, das aus Gärung zuckerhaltiger Säfte gewonnen wird, muss verboten/haram sein, weil es aus Haram-Getränken und damit aus einer Haram-Produktion stammt, da Alkoholika in jeder Hinsicht (trinken, kaufen, verkaufen, verarbeiten, transportieren, etc.) haram sind.

· Ethanol an sich, als natürliche Substanz, kann nicht rituell unrein (nadschis) sein:

Es gibt keinerlei Belege für seine Einstufung als rituell unrein und deshalb muss hier die Regel angewandt werden, dass alles, was nicht ausdrücklich als nadschis gilt, als mubaah/erlaubt und damit als rituell rein einzustufen ist.

Ethanol ist in vielen erlaubten Halal-Lebensmitteln wie Essig, Brot und reifen Früchten natürlicherweise enthalten, z. B. reife Bananen bis 1 Vol.%, Brot bis 0,3 Vol.%, Apfelsaft bis 0,4 Vol.%, Sauerkraut bis 0,5 Vol.% und in handelsüblichen Säften bis zu drei Gramm pro Liter (0,38 Vol.%). Seine Einstufung als nadschis schlussfolgert die Einstufung z. B. aller o. g. Lebensmittel, die “natürliches” Ethanol beinhalten, als “mutandsch-dschis متنجس, von der Nadschaasah beeinträchtigt”, was kein ernsthafter Gelehrter bisher festgestellt hat.

Die Meinung, welche die rituelle Unreinheit mit dem Analogieschluss bezogen auf Chamr begründet, kann nicht belegt werden und ist deshalb zurückzuweisen, da nicht einmal Konsens (Idschmaa’) über die substanzielle rituelle Unreinheit des Chamr vorliegt. Nicht wenige Gelehrte (z. B. Al-laith Bnu-sa’d, der schaafi’iitische Gelehrte Al-muzani, der maalikiitische Gelehrte Sa’id Bnul-had-daad) verstehen unter dem Begriff “ridsch-s رجس” in der Aayah (5:90) eine rituelle Unreinheit im übertragenen und nicht im wortwörtlichen Sinne. Dazu kommt, dass die Einzelelemente einer rituell unreinen Substanz nicht automatisch alle rituell unrein sein müssen, z. B. ist vergossenes Blut rituell unrein, jedoch kann keines der Einzelelemente des Blutes als rituell unrein bezeichnet werden.

Als das Wein-Verbot hinabgesandt wurde, haben die Muslime ihren Wein und ihre alkoholischen Getränke nach den Berichten der Imame Al-buchaari, Muslim, Ahmad und At-tirmidhi auf den Straßen in Madiinah weggeschüttet. Wäre der Wein substanziell nadschis, hätte der Prophet diese “Verunreinigung” untersagt, was nicht der Fall war.

Wein setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die für sich allein, als natürliche Elemente, nicht rituell unrein sind. Wein besteht nicht nur aus Ethanol, sondern enthält z. B. 85% bis 90%, Wasser, Äthylsäure, Kalium, Kalcium, Magnesium, Sodium, Eisen, Schwefel, Phosphor, Polyöle wie Glyzerin, Stickstoff, Aminosäuren wie Prolin, Vitamine P, Phenolverbindung (Phenolsäure, Blumenblau, Gerbstoffe), etc. Alle diese Elemente sind rituell rein.

Die These, dass die Rauschwirkung allein durch Ethanol verursacht wird, kann nicht gelten, da reines Ethanol stark giftig ist und deshalb nur mit Wasser verdünnt getrunken werden kann. Damit ist Wasser eine Substanz, die bei dem Vorgang des Betrinkens eine wesentliche Rolle spielt. Trotzdem gilt Wasser substanziell nicht als rituell unrein.

Aus der Sunnah ist durch Imam Muslim, Ahmad und At-tirmidhiy belegt, dass der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) ein spezielles Dattel- und Rosinensaftgetränk getrunken hat. Und zwar trank er das Einweichwasser, in dem diese Früchte eingeweicht wurden, am Tag der Herstellung und an den beiden darauffolgenden Tagen. Nach dem dritten Tag trank er es jedoch nicht mehr.

Zur Überprüfung des natürlichen “Alkoholgehaltes” dieses Getränkes wurde im “Halal Products Research Institute” 3folgender Versuch durchgeführt: Zwei Sorten Datteln (frische und getrocknete) wurden im Verhältnis 1:5 in Wasser eingeweicht und bei drei verschiedenen Temperaturen (27o C, 30o C und 35o C) aufbewahrt. Dann wurden nach 24, 48, 72, 96, 120 und 144 Stunden Proben dieses Einweichwassers (Dattelsaft) entnommen und auf ihren Ethanolgehalt untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse des Versuches sind wie folgt:

Probe(Std.)

Ethanol(%)

Methanol(%)

Alkoholgeh.Saft v. frisch. Datteln

Probe(Std.)

Ethanol(%)

Methanol(%)

Alkoholgeh.Saft v. getrock. Datteln

0

0,000

0,000

0,000

0

0,000

0,000

0,000

24

0,006

0,000

0,006

24

0,000

0,002

0,002

48

0,033

0,001

0,034

48

0,024

0,000

0,024

72

0,056

0,006

0,062

72

0,032

0,004

0,036

96

0,105

0,010

0,115

96

0,052

0,001

0,053

120

0,212

0,003

0,215

120

0,113

0,004

0,117

144

0,329

0,009

0,338

144

0,313

0,011

0,324

Dieser Versuch belegt eindeutig, dass auch in den ersten drei Tagen, an denen der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) dieses Saftgetränk trank, Ethanol darin enthalten war, allerdings in einer so geringen Menge, die keinen Rauschzustand hervorrufen kann. Nach diesem Versuch könnten erst nach einem Konsum von mehr als 17 Litern des drei Tage alten Einweichwassers (72 Std.) Spuren von Ethanol im Blut nachgewiesen werden.

Quelle: Islamologisches Institut - Ethanol